Klimawechsel bei der Vonovia?

In den letzten Jahren hat die Reputation des Finanzinvestors Vonovia in der Öffentlichkeit und bei den MieterInnen arg gelitten. Das ist schlecht für den politischen Einfluss. Und das ist schlecht für die Glaubwürdigkeit gegenüber den institutionellen Investoren, die verstärkt auf Nachhaltigket achten. Mit der Präsentation des Geschäftsberichtes 2020 unternimmt Vonovia-Chef Buch den Versuch, das hässliche Bild des Mieterschrecks durch die Erzählung eines treu sorgenden Hausvaters und Klimaretters in Vergessenheit geraten zu lassen.

 

Glaubt man der der Rhetorik der Vonovia, so steht das größte börsennotierte europäische Wohnungsunternehmen vor einem grundlegenden Wechsel der Geschäftsstrategie, und der Treiber dafür ist das Ziel der Klimaneutralität. Ganze Quartiere sollen so bewirtschaftet werden, dass der CO2-Ausstoß stark vermindert wird. Ein auf Quartiersebene integrierter Ansatz ist wahrscheinlich tatsächlich erforderlich, um im Wohnbereich die Klimaziele zu erreichen. Nur muss er als eine demokratischen Quartierserneuerung organisiert werden, und nicht als Geschäftsmodell eines expansiven DAX-Konzerns, dessen Gewinne auf der Abschöpfung von Miete und der Reduktion von Bewirtschaftungskosten basieren.

Grenzen der bisherigen Wachstumsstrategie

Das Potenzial der bisherigen Vonovia-Strategie, die auf Mietsteigerungen, fiktive Verkehrswertanpassungen, Expansion und Insourcing ausgerichtetet ist, kommt langsam an seine Grenzen und reicht als Erzählung für die Gewinnung von Investoren auf Dauer nicht mehr aus. Also versucht die Vonovia eine andere Karte auszuspielen, die sie aufgrund ihrer Größe, ihres Einflusses, ihrer vielen geschlossenen Wohngebiete und des Aufbaus eigener Technik-, Energie- und Entwicklungsabteilungen besitzt. Sie will eines der ersten Wohnungsunternehmen sein, die das neue Geschäftsfeld des klimaneutralen Wohnens im Wohnungsbestand der 60er und 7oer Jahre besetzen. Denn das bedeutet Einfluss auf die politischen Rahmenbedingungen, die sich in nächster Zeit wegen der Klima- und der Wohnungskrise stark ändern könnten.

Die Grenzen der bisherigen Wachstumsstrategie der Vonovia zeigen sich auch an den Zahlen. Die Mietsteigerungen im Jahr 2020 lagen mit 3,1 % zwar weiterhin stark über dem deuschtlandweiten Index von 1,4 %. Gegenüber den Vorjahren (2017: 4,2 %, 2018: 4,4 %, 2019: 3,9 %) ist die Steigerungsrate aber wider Erwarten erheblich eingebrochen. Das liegt sowohl an der geringeren Erhöhung der Bestandsmieten (nur noch 0,6 % im Vergleich zu 1,1 % im Jahr 2019), als auch an der verminderten Erhöhungsquote nach Modernisierungen (1,9 % statt 2,3 % im Jahr 2019). In beiden Fällen kann die Corona-Krise nur zum Teil als Erklärung herhalten. Bei den Mieterhöhungen gab es nur eine kurze Verschnaufpause im Frühjahr und Sommer, und es kam zu einer Verzögerung bei Neubau und Modernisierung, beides wichtige Faktoren der Mietsteigerung. Noch bedeutsamer mag die verringerte Mieterfluktuation sein, die dazu führt, dass weniger hohe Neuvertragsmieten abgeschlossen werden konnten.

Entscheidend sind aber auch langfristige Faktoren. So wirkt sich der Mietendeckel in Berlin aus, die organische Mietenentwicklung ging hier sogar um 2,1% zurück. Die Planung großer Modernisierungen musste seit 2019 wegen der Mieterproteste und gesetzlicher Änderungen reduziert werden. Die Wohnungsmodernisierungen bei Mieterwechsel können diesen Verlust an Erhöhungsspielraum nicht ersetzen, auch in Schweden nicht, wo die Mieten nach wie vor stark reguliert sind.

Das Ergebnis der Immobilienbewertung ist mit 3,7 Mrd. Euro zwar weiterhin hoch, fällt aber deutlich niedriger aus als im Vorjahr. Pro Quadratmeter ist der fiktive Verkehrswert der Immobilienwert nur noch um 3,5 % gestiegen. Hier wirken sich die hohen früheren Bewertungen aus. Der Erwartungshorizont für weitere Miet- und Wertsteigerungen ist inzwischen begrenzt.

Immer mehr Hindernisse für Modernisierungs-Renditen

Modernisierungsmaßnahmen waren in den letzten Jahren ein Treiber der Einnahmenentwicklung bei Vonovia. Diese Strategie trifft auch rechtlich auf immer mehr Schwierigkeiten und Risiken. Im Juni 2020 entschied der BGH, dass bei Modernisierungsmaßnahmen das Baualter der ausgetauschten Bauteile bei der Berechnung der Instandhaltungsanteile zu berücksichtigen ist. Ebenfalls entschieden bereits mehrere Landgerichte, dass von Vonovia verschickte Mieterhöhungen nach Modernisierung formell unwirksam waren.

Außerdem haben einige Mietorganisationen begonnen, die konzerninternen Rechnungsstellungen der Vonovia genau zu prüfen. Sie stellen zahlreiche Mängel der Prüffähigkeit fest und verlangen den Nachweis der Kosten, die dem Konzern tatsächlich entstanden sind. In den letzten Wochen haben sich Mieterorganisationen zu einem bundesweiten Bündnis zusammengeschlossen, um den Abrechnungspraktiken der Vonovia systematisch auf die Schliche zu kommen. In einem Offenen Brief fordern sie die Zurücknahme zahlreicher Mieterhöhungen und Nebenkostenforderungen.

In Schweden (z.B. im Stockhomer Vorort Husby) bestanden schon bei der Vorgängerin der Vonovia vielfach starke Mängel in den Wohnungen (Schimmel, schlecht isolierte Fenster, Bleirohre). Energetische Modernisierungen der Gebäudehülle gab es kaum. Nach der Übernahme durch die Vonovia hat sich daran nichts geändert. Beschweren sich MieterInnen über Mängel, legt ihnen die Vonovia gern nahe, in eine dieser „konzeptrenovierte“ Wohnungen zu ziehen, deren Inneneinrichtung, z.B. auch die Bäder, erneuert wurde. Bei Neubezug einer solchen Wohnung wird eine bis zu 50 % höhere Miete verlangt. Das Ergebnis ist, dass die Qualität der Wohnungsausstattung und die Höhe gezahlter Mieten in dem Stadtviertel immer mehr auseinanderklafft. Mit einer Strategie in Richtung einer sozialverträglichen Klimaneutralität hat das alles nichts zu tun.

Bislang werden in Schweden Inklusivmieten durch Übereinkommen der lokalen Mietervereine mit den Vermietern stark reguliert. Zurzeit wird aber im Parlament über die Einführung von Marktmieten diskutiert. Wartet die Vonovia mit ihren Großmodernsierungen ab, bis sie auch in Schweden daran so gut verdienen kann wie in Deutschland? Glaubt man den Verlautbarungen der letzten Monate, geht der Trend eher in Richtung einer deutsch-schwedischen Mischung. Die Vonovia würde in Zukunft lieber ihr Geld damit verdienen, dass sie in kostengünstigere Wärme- und Stromerzeugung investiert als sich wegen der Kalkulation der Mieterhöhungen in einen Kleinkrieg mit den MieterInnen zu verwickeln. Dafür wäre ein Inklusivmiete, in der die Kosten für die Erwärmung der Wohnungen bereits enthalten ist, gut geeignet. Auch gegen eine gewisse Aushandlung der Pauschalmieten hätte Buch wahrscheinlich wenig auszusetzen, vorausgesetzt natürlich, die Pauschalen sind hoch genug.

Quartiersmanagement als Geschäft eines Finanzinvestors?

Wie die Vonovia im Herbst in ihren Klima-Thesen klar gemacht hat, befürwortet sie auch in Deutschland die Einführung einer Inklusivwarmmiete. Wenn die Vonovia die Kosten der Wärmeversorgung nicht mehr nachweisen muss, sondern mit einer Inklusivmiete vereinnahmen kann, lohnt es sich für sie, in großem Stil in die Energieeffizienz und in dezentrale regenerative Energie zu investieren. Im Geschäftsbericht ist bereits von energie-autarken Quartieren die Rede. Die Erweiterung der Geschäfte macht bei der Energie allerdings keinen Halt. Auch soziale Dienstleistungen der Vonovia sind angedacht, z.B. Versorgungsangebote für SeniorInnen.

Man kann diese Tendenz weiter denken: Durch den Ausbau der technischen und sozialen Dienstleistungen kann sich die Vonovia an die Position eines monopolartiger Allroundversorgers in den Nachbarschaften heranarbeiten. Bereits jetzt versucht das Unternehmen, direkt mit Abschluss der Mietverträge Stromlieferverträge mit der Vonovia Energie Service GmbH abzuschließen. Längst hat sie die Kabelversorgung übernommen, in vielen Fällen auch die verbrauchsabhängigen Abrchnungen.

Je weiter die Inwertsetzung der Quartiere fortschreitet, desto mehr Bereiche könnten in die Vermieterleistungen aufgenommen werden. Für die MieterInnen bedeutet diese Entwicklung weniger Flexibilität und Wahlmöglichkeiten, vor allem aber eine immer umfassendere digitale Kontrolle ihrer Lebensverhältnisse durch einen einzigen, mit Hilfe von finanziellen Kennziffern und Algorithmen zentral gesteuerten Konzern.

MieterInnen organisiert euch!

Angesichts dieser Aussichten ist es noch wichtiger, dass sich die MieterInnen der Vonovia besser organisieren und überall Einsichtnahme und Mitsprache verlangen. Nicht, um die sinnvolle Strategie in Richtung energieautarker Quartiere zu behindern, aber um zu verhindern, dass sie zur bloßen Manövrier- und Datenmasse der Vonovia als totalitärer Kontrollmacht werden.

Wie bereits die Erfahrungen mit den bisherigen Modernisierungen zeigen, tut die unkontrollierbare Eigenmächtigkeit der Vonovia der Qualität der Erneuerungsmaßnahmen und damit auch dem Klima nicht gut. Wie soll man einem Vermieter als sozial-ökologischem Quartiersmanager trauen, der nicht mal bei Standard-Fenstereinbauten oder Fassadendämmungen eine ordentliche Baustellenorganisation hinbekommt?

Mit dem Zusammenschluss von Mieterorganisationen zum VoNO!via-MieterInnenBündnis ist ein Anfang für die erforderliche Entwicklung einer konzernweiten Interessenorganisierung der MieterInnen gemacht. Seine Forderungen bezüglich Abrechnungen und Modernisierungen formulierte das Bündnis in einem Offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Vonovia Rolf Buch:  https://mieteraktionärin.de/wp-content/uploads/2021/03/21-02-27_Obf_VoNOvia_end.pdf